Ultra-Cycling bedeutet nicht einfach nur, lange Strecken zu fahren. Es ist die ultimative Ausdauerherausforderung für Körper und Geist. Ein aktueller Review (Tiemeier et al., 2024) fasst die bisherigen Erkenntnisse zum Ultra-Cycling zusammen. Dabei wird klar, dass diese Sportart längst kein Nischentrend mehr ist. Hier erfährst du, was Ultra-Cycling wirklich ausmacht, welche Faktoren deine Leistung beeinflussen und welche spannenden Forschungsfragen noch offen sind.
Was ist Ultra-Cycling eigentlich?
Ultra-Cycling umfasst Radrennen, die entweder länger als sechs Stunden dauern oder mindestens 200 Kilometer am Stück zurückgelegt werden. Diese Definition stammt von der Worldwide Ultracycling Association (WUCA) und orientiert sich an ähnlichen Kriterien wie beim Ultra-Running. Die bekanntesten Events reichen von der legendären Race Across America (RAAM) bis zum self-supported Transcontinental Race quer durch Europa.
Wer macht so etwas?
Ein typisches Profil von Ultra-Cyclists zeichnet sich ab. Die meisten sind zwischen 35 und 45 Jahre alt und männlich. Allerdings wächst der Anteil weiblicher Teilnehmerinnen stetig. Besonders in Europa haben sich Ultra-Cycling-Rennen fest etabliert, wobei Deutsche, Schweizer und Skandinavier stark vertreten sind.
Alter kann ein Vorteil sein – zumindest im Ultra-Cycling
Ein spannender Fakt: Das optimale Leistungsalter liegt bei etwa 35 bis 40 Jahren. Warum ist das so? Erfahrung und eine konstante Pacing-Strategie scheinen hier entscheidend zu sein. Während jüngere Athletinnen und Athleten oft schneller ermüden oder sich überschätzen, profitieren erfahrene Fahrerinnen und Fahrer von smarter Renneinteilung und besserer Einschätzung des eigenen Körpers.
Frauen im Ultra-Cycling – Aufholjagd mit Hindernissen
Auch wenn die Zahl der Frauen wächst, bleiben sie bei Ultra-Cycling-Rennen klar in der Unterzahl. Studien zeigen, dass Frauen bei zunehmender Renndauer im Vergleich zu Männern leicht an Tempo verlieren. Trotzdem liegt die Finish-Rate bei Frauen oft höher. Ein möglicher Grund ist, dass sie von Beginn an defensiver fahren und ihre Kräfte besser einteilen. Allerdings fehlen weiterhin ausreichend Daten zu weiblichen Ultra-Cyclists, was eine klare Aufgabe für die zukünftige Forschung ist.
Interessant ist auch, dass sich die Zielzeiten stärker annähern, wenn nur die Top 10 der Frauen und Männer verglichen werden.
Herausforderung Nummer eins: Energie und Flüssigkeit
Energieverbrauch und Kalorienaufnahme passen bei Ultra-Rennen oft nicht zusammen. Studien zeigen, dass ein massives Energiedefizit die Regel ist. Bei einem Rennen wie dem RAAM verbrennen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über 40.000 Kalorien. Diesen Wert können die wenigsten unterwegs vollständig ausgleichen.
Ebenso herausfordernd ist die Flüssigkeitsbilanz. Zwar ist die Gefahr einer Hyponatriämie, also einer gefährlichen Verdünnung des Blutes durch zu viel Flüssigkeit, im Ultra-Cycling geringer als in anderen Ausdauersportarten. Trotzdem bleibt ein durchdachter Trinkplan essenziell. Eine klare Strategie ist hier entscheidend, denn wer sich nur auf das Durstgefühl verlässt, riskiert Leistungseinbußen durch Flüssigkeitsverlust.
Veränderungen am Körper
Ultra-Cycling geht buchstäblich an die Substanz. Studien zeigen signifikante Gewichtsverluste während langer Rennen. Ob dieser Verlust hauptsächlich Fettmasse oder auch Muskelmasse betrifft, ist noch nicht vollständig geklärt. Das Geschlecht spielt hier ebenfalls eine Rolle, was die Forschung weiter untersuchen muss. Ein Teil des Gewichtsverlusts geht sicher auf Flüssigkeitsverluste zurück.
Obwohl die Teilnehmenden oft mehr feste Nahrung zu sich nehmen als beispielsweise bei Ultra-Läufen, bleibt das Energiedefizit dennoch höher.
Entzündungen und oxidative Belastung – die versteckten Risiken
Während eines Ultra-Rennens wird der Körper enormen Entzündungsprozessen ausgesetzt. Diese können sich noch Tage nach dem Rennen bemerkbar machen. Wie sich diese Prozesse langfristig auf die Gesundheit auswirken, ist eine der spannenden Fragen, die die Forschung in Zukunft klären muss.
Was wir noch nicht wissen – und was die Forschung dringend herausfinden sollte
Trotz aller bisherigen Erkenntnisse bleiben viele Fragen offen:
- Warum liegt das Leistungsoptimum im Ultra-Cycling bei etwa 40 Jahren?
- Wie sieht die perfekte Ernährungsstrategie für Ultra-Cycling aus?
- Welche Anti-Entzündungsmaßnahmen helfen wirklich, ohne die Regeneration zu beeinträchtigen?
- Und nicht zuletzt: Wie können wir mehr Daten zu weiblichen Athletinnen sammeln, um geschlechtsspezifische Empfehlungen zu entwickeln?
Fazit
Ultra-Cycling ist weit mehr als nur eine Sportart. Es ist eine Wissenschaft für sich. Die aktuelle Forschung liefert viele spannende Ansätze, von optimalen Trainingsstrategien bis hin zur perfekten Ernährungsweise. Doch es bleibt noch viel zu tun. Die Ultra-Community kann sich freuen, denn die kommenden Jahre werden sicher viele neue Erkenntnisse bringen.
Tiemeier et al. Sports Medicine - Open (2024)